Unser Fundament
Im Januar 2018 hat eine Arbeitsgruppe unserer Stiftung damit begonnen, sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob die Arbeit, die wir machen, tatsächlich noch im Sinne der Stifterin ist und wie wir unsere Arbeit selbst verstehen. Auf der Grundlage historischer Texte, wie zum Beispiel der Stiftungsurkunde, dem Testament der Stifterin und historischen Quellen, wurden zunächst im Brainstorming-Verfahren markante Begriffe herausgearbeitet, diskutiert und gewichtet.
Es entstanden Kategorien und Oberbegriffe, die unseren Text auch heute noch strukturieren. Wichtig war der Arbeitsgruppe, immer wieder Bezüge zur Stifterin selbst herzustellen, so, wie wir heute ihr Anliegen, ihre Motivation und ihr Engagement verstehen. Dass dabei nicht streng geschichtswissenschaftlich gearbeitet wurde, zeigt nochmals deutlich auf, dass das Verstehen historischer Texte immer auch mit Deutung und Interpretation einhergeht.
In einem weiteren Schritt wurden den Mitarbeitenden die Textentwürfe vorgestellt und im Plenum diskutiert. Dank dieses Austausches erhielt die Gruppe vielfältige Anregungen und Veränderungswünsche, die gerne aufgenommen wurden. Es zeigte sich bereits an dieser Stelle eine hohe Identifikation mit dem Selbstverständnis der Stiftungsarbeit.
Um diese Identifikation wird es auch in Zukunft gehen:
Gerne mit am Stiftungsauftrag zu arbeiten in „unserer“ Stiftung –
ganz im Sinne von Fürstin Franziska Christine.
„Zur höheren Ehre Gottes & zum Wohle der Menschen!“
Wir sind der Überzeugung, dass vor Gott alle Menschen gleich und alle von Gott geliebt sind. Hier liegt das Fundament unserer Arbeit: Im christlichen Menschenbild. Grundsätzliche Offenheit gilt gegenüber allen Menschen, gleich welcher Abstammung und weltanschaulichen Überzeugung, gleich welchen Alters, Hautfarbe, Geschlechts oder geschlechtlichen Neigung.
Wir erkennen in jedem Menschen dessen Ausstattung mit unbedingter, von Gott gegebener Würde und setzen uns dafür ein, dass den Menschen, die uns anvertraut sind, dazu verholfen wird, Erfahrungen des wertgeschätzten, würdevollen Umgangs und des Respekts zu machen.
Wir setzen uns dafür ein, im bildlichen Sinne jungen und alten Menschen (wieder) die Krone aufzusetzen, ihnen also die Würde (zurück)zugeben, mit der sie von Gott ausgestattet sind.
Franziska Christine war tief davon überzeugt, in ihrem sozialen Engagement einen religiösen Heilsauftrag zu erfüllen und verwaisten Kindern ihrer Zeit „das ewige Seelenheil“ zu ermöglichen.
Ihr ging es um jedes einzelne Kind und um dessen Chance, nicht erst nach dem Tod das Leben in Fülle zu erfahren. Deswegen waren ihr die Kinder ihrer Stiftung sowie deren Frömmigkeitserziehung so wichtig. Und deswegen stattete sie ihr „Waißenhauß“ fürstlich aus wie ein barockes Schloss: „Zur höheren Ehre Gottes und zum Wohle der Menschen!“
„Gesellschaftliche Nöte erkennen!“
Wir fühlen uns dazu verpflichtet, die gesellschaftlichen Nöte dieser Zeit im Bereich der Kinder-, Berufs- und Altenhilfe zu erkennen, diese zeitgemäß und zeitnah aufzugreifen und professionell zu bearbeiten.
Professionalität beinhaltet aber vor allem, den Fokus unseres Engagements zu konzentrieren unter Beachtung aller zur Verfügung stehenden Ressourcen. Weil Ressourcen immer knapp bemessen sind, setzen wir diese gezielt ein, um den hohen Anforderungen einer nachhaltigen Arbeit genügen zu können.
Mit Respekt stehen wir davor, dass seit 250 Jahren diesem Anspruch mit Verantwortung begegnet wird.
Franziska Christine, die als Friedensstifterin und als menschenfreundlich galt, erkannte die Nöte ihrer Zeit. Insbesondere katholischen Kindern fühlte sie sich verpflichtet (für Kinder anderer Konfessionen gab es in Essen bereits ein Hilfeangebot) und gründete ihre Stiftung, in die ihr ganzes persönliches Vermögen einfloss.
Allein für dreißig Kinder war ihr großes Haus ausgelegt, da die Kinder nicht nur umfassend versorgt werden und Schulunterricht erhalten sollten, sondern jede*r auch eine Aussteuer bzw. „Handwerkszeug“, um später ein selbstständiges Leben führen zu können.
„Der Mensch im Mittelpunkt“
Der Mensch im Mittelpunkt“ – Diese fast selbstverständliche Forderung birgt dennoch viele Herausforderungen für unsere Arbeit. Nach unserem Verständnis genügt es nicht, den uns anvertrauten Menschen im ausreichenden („nur das Nötigste“, „‘mal eben so“, „auf die Schnelle“), sondern im umfänglichen Maße zu begegnen. Hierzu gehören eine menschorientierte Zuwendung sowie eine Individualisierung unserer Arbeit.
Jede*r soll nach ihren / seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten gefördert und gefordert werden und zudem die Erfahrung des Geschützt- und Geborgenseins machen. Weitestgehende Beteiligung und Teilhabe sowie die Erfahrung der Selbstbemächtigung und Selbstwirksamkeit sind entscheidende Faktoren, um Selbstsicherheit zu entwickeln. Nur so ist nach unserer Überzeugung Entwicklung, Erhalt des Leistungsvermögens und Genesung möglich. Denn Ziel ist die Erfahrung des gelingenden, erfüllten Lebens, ob in der Jugend- oder Erwachsenenzeit oder aber im Alter. Vielleicht gelingt dabei auch die Erfahrung einer besonderen Gottesnähe, so, wie unsere Stifterin es sich vorgestellt hat.
Wir streben damit „echte“ Erziehung, Berufsförderung und Altenpflege an und nicht nur Verwahrung oder Betreuung.
Notwendig ist dazu eine besondere Achtsamkeit gegenüber jedem einzelnen, die es ermöglicht, Potentiale zu erkennen, an diese zu glauben und gezielte Hilfen zu geben. Ein besonderes Augenmerk richten wir dabei auf die Aspekte der Bildung und Erziehung. Beide gilt es, individuell zu fördern und zu erhalten.
Im Alltag begegnen wir Lebenssituationen, in denen schnelle, einfache Lösungen nicht in Sicht sind. Dann sind gemeinsames Aushalten, persönliche Stärkung und würdevolle Begleitung geboten. Gerade dann soll sich niemand alleingelassen oder einsam fühlen. In unserem Stiftungsalltag mit der Begegnung zwischen Alt und Jung sehen wir eine echte Chance und Bereicherung unserer Arbeit.
Anders als zu ihrer Zeit vielerorts üblich, ging es Franziska Christine nicht um die Errichtung einer Verwahranstalt, eines Armenhauses oder einer sonstigen Fürsorgeeinrichtung, durch die man seine Mildtätigkeit zum Ausdruck bringen, Kinder als billige Arbeitskräfte funktionalisieren oder sich „den Himmel erkaufen“ konnte.
Ihr ging es um eine Bildungseinrichtung, in der Kinder individuell bemächtigt werden, später ihr Leben selbstständig zu bewältigen. Die heutige Selbstverständlichkeit des Rechts auf Bildung und Erziehung für jeden Menschen hatte sie somit bereits zu ihrer Zeit umgesetzt.
So stand neben einer hauswirtschaftlichen oder handwerklichen Ausbildung Schulunterricht und Frömmigkeitserziehung auf dem Plan – in einem Ambiente, welches eher Fürsten vorbehalten war. Sie geizte nicht mit ihrer Zuwendung, sondern sorgte für eine umfängliche und großzügige personale und materielle Ausstattung ihres Hauses.
Wir sind davon überzeugt, dass es ihr nicht darum ging, sich vorrangig selbst ein Denkmal zu setzen, sondern einzig und allein um die Kinder, denen sie mithilfe von (religiöser) Bildung eine gesicherte Zukunft, möglicherweise in einem gehobeneren Stand ermöglichen wollte. All dies regelte sie aufs Genaueste und achtete sehr darauf, dass die Umsetzung ihres Stiftungswillens gesichert wurde.
„Wertschätzender & respektvoller Umgang Miteinander“
Unser Auftrag lässt sich nur gemeinsam erfüllen. Alle Mitarbeitenden sind wesentliche Stützen unserer Arbeit. Diese fühlen sich der Stifterin verpflichtet und bringen ihre Professionalität in die Arbeit ein.
Hierzu gehören neben der Fach-, Sozial- und Methodenkompetenz sicherlich menschliche Kompetenzen wie das Erkennen von Handlungsaufträgen, Selbstreflektion sowie die Bereitschaft, hinzu zu lernen, sich weiter entwickeln zu wollen und sich im jeweiligen Arbeitsfeld verantwortlich zu fühlen.
Alles, was an wertschätzendem und respektvollem Umgang mit den uns anvertrauten Menschen gilt, gilt im gleichen Maße auch in unserer Zusammenarbeit. Insofern verstehen wir uns als eine achtsame Dienstgemeinschaft, in der jede*r Mitarbeitende einen Platz finden kann, an dem er bedeutsam ist und verantwortlich den Stiftungsauftrag umsetzen kann. Nur so wird erfolgreich die Motivation erhalten bleiben, sich den Herausforderungen der zum Teil sehr schwierigen Arbeit und des Auftrags der Stifterin zu stellen.
Franziska Christine stattete ihre Stiftung mit einer Vielzahl unterschiedlicher Professionen aus und achtete sehr genau darauf, dass qualifizierte Mitarbeitende ihren Stiftungswillen umsetzten.
Genauestens war dabei geregelt, wer wofür zuständig und wieviel Entlohnung dafür vorgesehen war.
So ergab sich ein in sich stimmiges System, in dem
jede*r einen Platz, aber auch einen Auftrag hatte und die Erfahrung machte: Ich bin wichtig!
Regelmäßig mussten allerdings Rechenschaftsberichte sowie Abrechnungen vorgelegt werden, denn Verschwendung und Nichtsnutz waren ihr zuwider – zu ernst nahm sie ihren eigenen Stiftungswillen gegenüber den Kindern, der „bis zum Ende der Welt“ umgesetzt werden sollte.